Wenige Kilometer nach Lake Louise, auf dem Highway 93 nach Norden, wurden erstmals unsere Park-Ausweise kontrolliert. Zwei Angestellte der Nationalparksverwaltung standen da und wollten unseren Passierschein sehen.
Für Kanadaneulinge. Um sich in einem Nationalpark aufhalten zu dürfen, muss man pro Person und Tag nicht ganz 10 $ zahlen. Ausgenommen davon sind nur Durchreisende auf dem Highway 1, dem TCH, die den Nationalpark nur durchqueren. Sobald man aber eine Nacht da bleiben möchte, oder vom Highway abfährt um z.b. einen Trail zu wandern, oder sich eben auf dem Highway 93 befindet, ist die Gebühr fällig.
Es gibt u.a. auch einen Jahrespass, der einer Gruppe von, ich bin nicht ganz sicher, bis zu 7 Personen 12 Monate lang Zutritt zu allen Parks Kanadas gewährt. Der kostet soviel wie 14 Personentage. Da wir die 7 Tage á 2 Personen vermutlich voll kriegen, und ich, nachdem Gerald wieder abgereist ist, auch noch die eine oder andere Nacht im Nationalpark verbringen werde, haben wir uns den Jahrespass besorgt.
Wer also im Laufe der nächsten 12 Monate nach Kanada reisen möchte, darf sich nach meiner Rückkehr vertrauensvoll an mich wenden.
Das war das eine. Das andere in diesem Zusammenhang war, dass die beiden an ihrem Arbeitsplatz neben einer Flasche Wasser zum trinken, noch eine Dose mit Bärenabwehrspray rumliegen hatten.
Dabei handelt es sich um ein besonders starkes Pfefferspray. Die spezielle Bärenvariante lässt sich bis zu 10 Meter weit versprühen, aber ich glaube die Windrichtung sollte man dennoch beachten.
Jedenfalls gilt diese Spray, neben Signalfackeln aus dem Seenotrettungszubehörhandel, als Bärenabwehrmittel Nummer 1.
Jetzt sollte man aber noch wissen, dass es im wesentlichen zwei Arten von Bären gibt. Schwarzbären und Grizzlies.
Ich habe irgendwo ein Straßenschild gesehen, ich vermute im Internet, ab das Schild ist echt, auf dem sinngemäß folgendes zu lesen war
ACHTUNG
Sie befinden sich in einem Bärengebiet.
Rüsten Sie sich mit Bärenspray aus und tragen Sie Glöckchen, damit die Bären sie wahrnehmen.
Lernen Sie die Bären zu unterscheiden, an ihrem Aussehen und auch an ihrem Kot.
Der Kot von Schwarzbären enthält Kerne und ist oft rötlich gefärbt von den Beeren die er frißt.
Der Kot von Grizzlies enthält Glöckchen und riecht nach Pfeffer.
Da hat wohl ein Scherzkeks keine Kosten und Mühen gescheut.
Jedenfalls sind wir jetzt in der Wildniss angekommen. Aus die nächsten 250 km gibt es, bis auf einen Ort namens Saskatchewan Crossing, einer etwas größeren Tankstelle mit Supermarkt und Motel, nichts. Keinen Ort, keine Ranch, keine Alm oder Hütte, nur ab und zu einen Campground mit Plumsklo und einem Hahn mit Trinkwasser. Davon haben aber die meisten um diese Jahreszeit noch geschlossen. Die für uns wichtigen Campgrounds auf dem Weg nach Jasper sind auch erst seit Anfang Juni geöffnet.
Unser heutiges Ziel war der Campground Rampart Creek, etwa 90 km nördlich von Lake Louise.
Die Natur und die Landschaft hier im Banff Nationalpark ist der Wahnsinn. Genau so wie man sich eben Kanada vorstellt. Ansonsten gibt es aber über die Fahrt nichts besonderes zu berichten.
Bis ca. 5 km vor dem Campground. In ca. 700 m Entfernung ist irgendetwas braun-schwarzes auf unserer Fahrbahnseite, was da nicht hingehört. Und es bewegt sich auf uns zu. Ein Bär. Der erste Bär meines Lebens, der nicht entweder im Zoo oder auf Bildern ist.
Wir verlangsamen unsere Fahrt erstmal bis fast zum Stillstand. Wo sind denn jetzt die verdammten Autos. Wenn man sie mal braucht kommt minutenlang keines. Endlich kommen uns zwei entgegen. Und wie erwartet trollt sich der Bär und schlägt sich in die Büsche.
Eines der Fahrzeuge verlangsamt die Fahrt und der Fahrer will uns auf den Bären aufmerksam machen. Danke, haben wir schon bemerkt.
Wir fahren weiter und wechseln die Straßenseite. Erst als wir an der Stelle wo wir den Bären gesehen haben vorbei sind, fahren wir wieder rechts.
Der Campground ist eigentlich sehr schön. Ein Stück Wald, auf der einen Seite fließt der Saskatchewan River vorbei. Leider gibt es aber auch einen Sumpf am Waldrand. Mückenalarm! Ohne Ende. Schnell waschen, lange Hose und dicken Pulli anziehen. Das Abendessen war auch kein Spaß.
Plötzlich laufen 5-6 andere Camper in Richtung Fluß. Bärenalarm! Eine Bärenmutter mit ihrem Jungen ist auf dem Campground. Keine 40 Meter von unserem Zelt entfernt suchen die beiden seelenruhig zwischen den Büschen nach etwas essbarem.
Ok. Drei Bären an einem Tag. Das verspricht eine interessante Woche zu werden.
Auf den Campgrounds herrschen strenge Regeln, was das Lagern von Lebensmitteln angeht. Bären riechen extrem gut, und es ist daher untersagt, Lebensmittel, oder etwas, dass einem Bären als Nahrung erscheinen könnte, wie z.b. Zahnpasta, im Zelt zu lagern.
98% aller Camper sind mit ihren Autos oder Campingmobilen unterwegs. Die haben kein Problem. Für solche wie uns gibt es Food Locker, verschließbare Metallboxen, die der Bär nicht aufbekommt.
Im Normalfall sind Menschen für Bären uninteressant. Der Bär versucht den Kontakt zu vermeiden und verzieht sich, wenn er Menschen hört. Es gibt eigentlich nur drei Situationen die gefährlich sind.
Wenn der Bär überrascht wird. Das ist der Klassiker beim Wandern, oder noch besser, beim Biken auf unübersichtlichen Waldwegen. Plötzlich biegt man um die Ecke und ein Bär steht da. Keiner hat den anderen bemerkt. Der Bär fühlt sich angegriffen und reagiert aggressiv. Wenn man dann sein Bärenspray nicht in der Hand hat.
Wenn der Bär Junge hat. Wenn man zwischen eine Bärenmutter und ihr Junges gerät hat man ein Problem. Also immer schön von den kleinen putzigen Bärchen wegbleiben.
Wenn der Bär fressen will. Wenn der Bär Fressen riecht, geht er da hin. Keine gute Idee ihn davon abzuhalten. Wenn er das Fressen im eigenen Zelt riecht, hat man hoffentlich noch einen zweiten Zeltausgang auf der Seite wo kein Bär ist. Also doch besser alles an einem sicheren Ort verwahren. Das eigentliche Problem ist aber, sobald ein Bär einmal in einem Zelt etwas zu fressen gefunden hat, wird er dort immer wieder danach suchen. Das bedeutet meistens, dass der Bär getötet werden muss, weil er eine Gefahr für die Camper darstellt. Deshalb ist es verboten, Essen im Zelt zu lagern, oder auch nur unbewacht auf dem Tisch stehen zu lassen.
Ok. Also alle Taschen nochmal nach fressbarem absuchen. Verdammt, wo hat sich denn nochmal das letzte Snickers versteckt. Alles wegsperren.
Gute Nacht.
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